Stadtteilzentrum Friedrichshain ist jetzt Meldestelle

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus sprach unsere Kollegin Mai Micklisch vom Stadtteilzentrum Friedrichshain mit einer Mitarbeiterin vom UBI KLiZ e. V. in Friedrichshain über das Register Friedrichshain-Kreuzberg. Beim Register kann man rassistische Übergriffe/ Angriffe, Alltagsrassismus und rassistische Vorfälle jeder Art melden. Die Angaben fließen dann in die Gesamtstatistik für den Bezirk und auch für das Land Berlin ein.
Der UBI KLiZ e. V. ist eine Meldestelle im Register und hat im Jahr 2009 mit der Antifa Friedrichshain das Projekt Register Friedrichshain-Kreuzberg initiiert. Unser Stadtteilzentrum Friedrichshain ist seit letztem Sommer ebenfalls als Meldestelle registriert. Da wir somit immer noch recht neu dabei sind, lassen wir uns von einem Profi erzählen, was das Register oder eine Meldestelle machen soll bzw. machen kann.

 

Meldestelle im Register Friedrichshain-Kreuzberg

1. Führ uns doch bitte durch den Prozess: Wenn ich eine rassistische Erfahrung erlebt oder als Zeug:in beobachtet habe, was macht ihr dann als Meldestelle?

Wenn ihr euch mit einer Frage, einer Problemstellung oder einem Vorfall an uns wendet, habt ihr die Möglichkeit, bei uns als Meldestelle des Registers Friedrichshain-Kreuzberg rassistische und diskriminierende Erfahrungen im geschützten Raum mit uns zu teilen.
Die Aufgabe der Meldestelle ist es dann, die von einer Person beschriebene Erfahrung mit deren Einverständnis zu protokollieren und an das Register weiterzuleiten. Dort wird es in der Chronik anonymisiert vermerkt. Wenn sich der Vorfall am Wohnort, auf der Arbeitsstelle, im Amt o. ä. zugetragen hat, wird der Vorfall zwar registriert, aber nicht veröffentlicht, damit keinerlei Rückschlüsse auf die betreffende Person gezogen werden können. In diesen Fällen wird ausschließlich veröffentlicht: „Zum Schutz der betroffenen Person wird der Vorfall nicht veröffentlicht.“ Für die interne Auswertung der Chronik müssen die gemeldeten Vorfälle jedoch konkret zugeordnet werden. Daher sind hier weiterführende Angaben erforderlich. Die dafür notwendigen Daten werden nach Aufnahme in die Chronik grundsätzlich gelöscht.
Es bleibt aber nicht bei der reinen Registrierung: Sollte die meldende Person weitere Hilfe benötigen (z. B. psychologische Unterstützung oder Vermittlung eines Rechtsbeistandes), die nicht über die Meldestelle selbst organisiert werden kann, kann direkt an das Register verwiesen werden, um dem Bedarf entsprechend konkrete Hilfe zu vermitteln.
Alltagsrassismus und Diskriminierung haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und müssen benannt werden, um sie einerseits sichtbar zu machen und andererseits zivilgesellschaftlich und institutionell bekämpfen zu können.

2. Besteht denn der Bedarf für solche Hilfestellen in einer so vermeintlich weltoffenen Stadt wie Berlin?

Das Register kann nur die Vorfälle erfassen, die von Betroffenen oder Zeug:innen gemeldet oder beispielsweise über Polizeimeldungen oder Pressemitteilungen veröffentlicht werden. Daher können wir nur die Spitze des Eisbergs erfassen und sichtbar machen. So liberal Berlin auch wirken mag: Auch hier werden täglich Menschen aufgrund ihrer gesellschaftlich stigmatisierten Zuschreibung diskriminiert. Sie werden beleidigt, bedroht, angegriffen oder ihnen wird der Zugang zu Leistungen oder Bildungseinrichtungen verwehrt. Die Berliner Register mit ihren Netzwerken erreichen immer mehr Bekanntheit, was sich auch in den Zahlen widerspiegelt. Es ist nicht davon auszugehen, dass Alltagsrassismus und Diskriminierung wirklich immer weiter ansteigen, eher ist anzunehmen, dass – u. a. durch mehr Bewusstsein für das Thema Rassismus und durch Meldestellen – diese Themen sichtbarer werden.
Wurden im Jahr 2017, dem Gründungsjahr des Berliner Registers, 2.800 Vorfälle erfasst, waren es 2021 bereits 4.841 Vorfälle. Auch ein bunter, vielfältiger Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht frei von Alltagsrassismus und Diskriminierungen aller Art. Das Register gibt es seit 2009 im Stadtteil Friedrichshain, seit 2011 werden Vorfälle aus dem gesamten Bezirk erfasst. Auch hier schlägt sich der Berliner Trend nieder. 2017 wurden 171 Vorfälle gemeldet und im Jahr 2021 waren es bereits 489 Fälle.
Es gibt also noch ganz viel zu tun, damit alle Menschen gleichberechtigt und angstfrei leben und arbeiten können.

3. Was wünscht ihr euch für Berlin?

Es ist ein langer Weg, jahrzehntelange diskriminierende Denkmuster aus den Köpfen der Menschen zu bekommen. Viel hat sich schon bewegt, z. B. gibt es in Berlin das Landesantidiskriminierungsgesetz. Umdenken findet auf allen Gebieten statt, z. B. über Veränderungen im Bildungsbereich, wo koloniale Stigmata aus Lehrbüchern verschwinden. Es werden Gelder für die Durchführung von Projekten bereitgestellt, die sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit der Thematik Rassismus beschäftigen, sei es ein diverser Workshop oder eine Beratungsstelle für eine bestimmte Zielgruppe (Stichwort Community/ geschützter Bereich). Auch die Register profitieren von der Entwicklung. Ehrenamtlich wie noch in den Anfangsjahren wäre die zunehmende Arbeit gar nicht mehr leistbar.
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und wir können uns glücklich schätzen, in einer Demokratie leben zu dürfen, wo überhaupt die Möglichkeit besteht, für seine Rechte offen einzutreten, ohne das eigene Leben riskieren zu müssen. Aber auch unsere Demokratie hat das Potenzial, noch mehr für alle da zu sein. So ist es für uns nach wie vor unverständlich, warum im Namen der Meinungsfreiheit Menschen beleidigt, herabgewürdigt und bedroht werden dürfen. Menschenverachtung und Hass hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen. Die Verbreitung von Menschenverachtung und Hass ist für uns keine Meinung. Rassismus ist keine Meinung. Diskriminierung ist keine Meinung. Sozialchauvinismus ist keine Meinung. Behindertenfeindlichkeit ist keine Meinung. Es wird noch viel Zeit vergehen, bis wir in einer gleichberechtigten, Rassismus freien Gesellschaft leben und bis dahin müssen wir die Probleme immer wieder benennen, in allen Lebensbereichen dafür sensibilisieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und einfordern. Nur so kann ein Wandel, letztendlich hin zu einer besseren Welt für alle, gelingen.

4. Wie kann man selbst eine Meldestelle werden?

Jede:r, der einen zugänglichen Raum mit einer „separaten Ecke“ hat, kann Kooperationspartner vom Register im Rahmen z. B. einer Meldestelle werden. Das kann ein Verein, eine Arztpraxis, eine Kita, eine Schule, ein Geschäft, eine Gastronomie, ein Handwerksbetrieb oder Ähnliches sein. Die „separate Ecke“ ist notwendig, um ein vertrauliches Gespräch führen zu können. Jemand möchte eine Erfahrung in der Meldestelle teilen und muss dazu die Möglichkeit haben, dies in einem geschützten Raum ohne weitere Zeug:innen tun zu können.

Wir stehen für ein soziales Berlin

Miteinander - Füreinander stärken wir kranken, einsamen und schutzbedürftigen Menschen den Rücken