Geschichten aus dem Hospizdienst

 

Jeden Monat berichten Ehrenamtliche für Ehrenamtliche über ihre Begleitungen in einem Newsletter des Ambulanten Hospizdienstes. Dieser entstand in der Corona Pandemie, als ein Austausch über die Begleitungen in persönlichen Treffen nicht möglich war. Es ist der essenzielle Kern der Arbeit, dicht bei den Menschen zu sein, ihnen damit Halt und Vertrauen, Sicherheit und Verlässlichkeit zu geben. Hospizarbeit lebt durch Nähe und Berührung. Mit dem Newsletter versucht der Hospizdienst, diese Nähe zu vermitteln. Da er gut ankam, hat das Team ihn beibehalten. Inzwischen ist eine Sammlung von Geschichten entstanden, von denen hier eine kleine Auswahl zusammengestellt ist.

Jeden Monat veröffentlichten wir eine weitere Geschichte aus dem Ehrenamt als Audiodatei und Text. Darin wird von aktuellen Erlebnissen in den Begleitungen berichtet. Mal traurig und nachdenklich, mal fröhlich und lustig – wie das Leben eben auch.

Wenn Sie Interesse an der ehrenamtlichen Mitarbeit haben, dann melden Sie sich gern bei unserem Ambulanten Hospizteam.

Guter Kaffee

veröffentlicht Januar 2025
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Wir erhielten im ambulanten Hospizdienst eine Anfrage aus dem Helmut-Böttcher-Haus. Herr K., ein älterer Herr mit schwerer Krebserkrankung, der nach einem Sturz zu Hause ins Krankenhaus kam und von dort direkt ins Helmut-Böttcher-Haus ziehen musste. Er berichtete mir bei meinem ersten Besuch, dass er keine Angehörigen habe und nur noch zwei lebende Freunde, welche selbst nicht mehr mobil seien und mit ihrer Gesundheit zu kämpfen haben. Den gesetzlichen Betreuer habe er noch nie gesehen.

Er erzählte mir von seinem zu Hause und was er dort alles vermisst. Nach seinem Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach Hause zu können, war für ihn ein ziemlicher Schlag. Er berichtete auch, dass der Kaffee in der Einrichtung praktisch ungenießbar sei und er zu Hause noch eine frische Packung Kaffee zu liegen hätte. Bei meinem nächsten Besuch brachte ich Herrn K. frischen Kaffee mit, den ich im Thermobecher meines Mannes aufbewahrte.

Er freute sich sehr darüber. An diesem Tag ging es Herrn K. nicht besonders gut und er konnte noch nicht aufstehen, wollte den Kaffee aber später in Ruhe trinken. Wir unterhielten uns eine Weile, doch er wurde schnell müde und schlief ein. Davor bat er mich, ihm beim nächsten Mal eine Flasche Selter und zwei Glückwunsch-karten mitzubringen. Einige Tage später traf ich wieder im Helmut-Böttcher-Haus ein, Selter und Karten im Gepäck. Herr K. war am Tag zuvor verstorben. Kein unerwarteter Tod und trotzdem überkam mich Traurigkeit. Wir mochten uns und haben die wenigen Besuche, die ich bei ihm machen konnte, sehr genossen. Als ich die Schwester fragte, ob sie meinen Kaffeebecher beim Zimmer räumen gesehen habe, verneinte sie. Sie erzählte aber, dass Herr K. sich sehr über den Kaffee gefreut habe und ihn richtig gut fand. Das ist ein schöner Trost.

Kaffee! Schon schön, wenn man sich überlegt, wie leicht es manchmal sein kann, Menschen am Lebensende noch etwas Gutes zu tun.

Die Literaturagent:innen

von Astrid Heinrichs-Otte (Ehrenamtliche seit 2002), veröffentlicht Dezember 2024
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Mal wieder ein Besuch auf der Palliativ Station.

Von der Patientin weiß ich nur, dass sie vor lauter Luftnot kaum sprechen kann und erst 50 Jahre alt ist. Wer erwartet mich? Eine Frau, die ganz klar um ihr Ende weiß – und eine große Leserin war. Und mich bittet, Ingeborg Bachmanns Gedichte vorzulesen. Oh! Risiko. Nichts kann ein Gedicht so verderben wie  „falsches“ Vorlesen. Aber es geht gut. Wir sind beide tief berührt von Trauer und Tod, die bei Bachmann mitschwingen.

Als ich Frau G. das nächste Mal besuche, kann sie etwas leichter atmen. Ich soll wieder vorlesen. Was? – Ach, aus meiner U-Bahn Lektüre. (Ich hatte erzählt, dass ich ohne Buch nicht aus dem Haus gehe.) – Es ist aber in Englisch? – Trotzdem. Wir stellen fest, dass wir beide diese Sprache und Literatur lieben. Sie notiert meinen Autor, empfiehlt ihrerseits eine schottische Schriftstellerin. „Was!!! „, rufe ich, „die kenne ich gut!“

Kurz bevor ich gehe, erfährt Frau G., dass sie ins Hospiz verlegt wird. „Endlich“ sagt sie, “ Der letzte Schritt.“ Ich verspreche ihr, beim Besuch dort ein Buch unserer Autorin mitzubringen  – aber dazu kommt es nicht mehr.

Die letzten Worte am Telefon, die sie kaum noch hauchen kann, sind: „Zumindest haben wir den Anfang einer wunderbaren Freundschaft erleben dürfen.“

Ja, das haben wir! Und ihre Buchempfehlung habe ich schon bestellt….