Mit den mahnenden und leisen Worten „Seid Menschen!“ schloss die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer die Reden zum Gedenktag, 80 Jahre nach Kriegsende im Roten Rathaus. Zuvor hatten Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Cornelia Seibeld an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Neben den rund 180 geladenen Gästen aus Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche erhielt auch die Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität Berlin, Susanne Buss, eine Einladung zu der besonderen Veranstaltung.
Wegner betonte in seiner Rede: „Es ist unsere Verantwortung, dass wir niemals vergessen. Es ist unsere Verantwortung, dass Geschichte sich nicht wiederholt.“ Es sei an der Zeit, „für die Demokratie einzutreten und sie zu verteidigen gegen die Feinde von innen und außen“.
Sichtlich bewegt waren die Anwesenden von den Worten der Berliner Ehrenbürgerin Margot Friedländer, die 1944 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Sie überlebte als eine von wenigen diese schreckliche Zeit. Aus ihrer Biografie las sie vor, wie sie die Ereignisse am Tag der Befreiung vor 80 Jahren wahrgenommen hatte. Sie habe damals inmitten des Geschehens gestanden, als die Menschen das KZ allmählich verließen; unsicher, ob sie nun wirklich gehen könne, ob sie nicht doch erschossen werden würde, sobald sie einfach ging. Doch selbst wenn sie diesen Ort verließ, wohin und zu wem sollte sie gehen, fragte sie sich. Sie sei sich sicher gewesen, dass ihre gesamte Familie nicht mehr lebte.
Mit ihren eindringlichen Worten gab sie den Zuhörer:innen an diesem Tag, wie bereits bei ihren öffentlichen Auftritten zuvor, einen Auftrag, appellierte „Bitte seid Menschen“! Was das bedeutet, muss jede:r für sich beantworten. Die Interpretation des Jiddischen Ausspruchs „Sei ein Mentsch“ impliziert die richtungsweisenden Worte „Sei von Ehre und Integrität“.
Wer Margot Friedländer einmal zugehört hat, spricht über das, was sie aus dieser Zeit erzählt hat, spricht über die Ungerechtigkeit und die grausamen Ereignisse, die sich ereignet haben und sich nicht wiederholen dürfen. Dieses Wissen und diese Gefühle, die entstehen, wenn man ihr zuhört, gilt es zu bewahren und weiterzugeben – vor allem an nachfolgende Generationen.
Als sich Susanne Buss nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung bei der Zeitzeugin vorstellt und sich – noch immer tief berührt – für ihre Worte bedankt, erklärt sie: „Ich nehme die Verantwortung an, nicht nur für mich, auch für meinen Sohn“. Frau Friedländer nimmt darauf ihre Hand und erwidert ebenso bewegt: „Ich mache das für euch“!
Titelfoto: © Landesarchiv Berlin/Grönboldt